Stefan Frey
· 07.11.2025
Das Jahr 2025 steht im Zeichen der Holz-Schlange. Weisheit, Wachstum und Glück soll sie symbolisieren – sagt zumindest der chinesische Kalender. Ich glaube ja nicht an Tierkreiszeichen oder Horoskope, doch irgendwie scheint dieses Jahr etwas dran zu sein. Denn tatsächlich hat im Schaltungsbereich ein erstaunliches Wachstum stattgefunden. Elf Jahre nach Einführung der ersten elektronischen MTB-Schaltung hat Shimano nämlich endlich seine Funk-Version der XTR Di2 präsentiert – und in diesem Zug auch gleich die erschwinglicheren Drahtlos-Schaltgruppen XT und Deore nachgeschoben.
Wer damit jedoch schon das Ende des Schaltzugs prognostiziert hat, der hat die Zeichen am Fahrradhimmel falsch gedeutet. Denn auch die Konkurrenz auf der anderen Seite des Pazifiks hatte Zuwachs zu vermelden: Mit der mechanischen Eagle 90 Transmission machte Sram seine T-Type-Technologie, die auf Schaltauge und Einstellschrauben verzichtet und extrem präzise Schaltvorgänge verspricht, nun auch Elektro-Verweigerern zugänglich.
Womit wir auch schon beim Thema Glück wären. Denn gerade im mechanischen Bereich herrschte lange Innovationsflaute. Shimanos All-time-Klassiker Deore XT hat immerhin schon mehr als sechs Jahre auf der Kette seit dem letzten Facelift. Und von den Amis, die ja bekannt dafür sind, vermeintlich Überflüssiges gerne wegzulassen – siehe Umwerfer und zweites Kettenblatt – war nicht gerade zu erwarten, dass sie dem Schalten per Drahtseil noch einmal eine Chance geben würden. Wir waren natürlich gespannt, ob sich die neue Full-Mount-Anbindung direkt am Rahmen bei der Schaltpräzision bezahlt macht und wie sich der Verzicht auf die Einstellschrauben auf das Setup auswirkt. Kann die etwas angejahrte Shimano XT da noch mithalten oder verlieren die Japaner bei den mechanischen Schaltgruppen den Anschluss?
Ein Glück, dass Shimano just in diesem Jahr nun endlich seine elektronischen Schaltungen von der „Leine“ gelassen hat, also die Schaltbefehle per Funk statt über Kabel ans Heck schickt und damit die Dominanz von Sram ins Wanken bringen könnte. Sieben Jahre haben sich die Entwickler dafür Zeit genommen. Herausgekommen ist eine XTR Di2, die in vielen Belangen dem amerikanischen Pendant ähnelt, sich in grundlegenden Punkten aber doch gravierend von den Transmission-Antrieben unterscheidet. Während die Amis ihre Schaltwerke direkt ans Ausfallende des Rahmens anbinden, hängt die XTR weiterhin am Schaltauge – weshalb zum Setup nach wie vor Einstellschrauben erforderlich sind.
Der Shimano-Shifter verfügt über eine Mechanik, die das Schaltgefühl klassischer Trigger nachahmt. Die XX Eagle dagegen steuert ein reduzierter Controller mit digitaler Haptik. Auf amerikanischer Seite beruhigt ein Reibungsdämpfer den Schaltkäfig, während die Japaner Kettenschlagen mit Hilfe einer doppelten Spannfeder eindämmen. Rasant schnell die neue XTR Di2, präzise wie ein Uhrwerk dagegen die XX Eagle Transmission – egal ob an motorisierten oder analogen Bikes. Shimano bietet für E-Biker spezielle Schaltwerke sowie Kassetten mit der sogenannten Linkglide-Technologie – robuster, mit speziellen Schaltgassen versehen, dafür jedoch auf elf Gänge reduziert.
Ähnlich ist bei beiden Systemen die Feinabstimmung und Individualisierung per App. Und auch beim Schutz der ultrateuren Schaltwerke setzen beide Hersteller auf vergleichbare Technik: Bei Felskontakt weichen die Schaltwerke über eine Rutschkupplung nach innen aus und kehren anschließend automatisch wieder in die vorherige Position zurück. Wir konnten beide Systeme intensiv gegeneinander testen und verraten, welcher der Schaltungs-Neuzugänge der Weisheit letzter Schluss ist.
Eigentlich lautete die ursprüngliche Frage: Wer baut die bessere Funkschaltung? Shimano oder Sram? Doch jetzt frage ich mich: Ist nicht vielleicht die mechanische Eagle 90 Transmission der beste MTB-Antrieb? - Stefan Frey, BIKE-Testredakteur
Srams XX Eagle dürfte auf den meisten Konten so etwas wie ein schwarzes Loch hinterlassen. Shimanos neue XTR ist zwar fast 400 Euro günstiger, realistisch betrachtet aber noch immer exorbitant teuer. Das Gute an den Funk-Gruppen: Wer z. B. auf XT- oder GX-Niveau einsteigt, spart allein bei den Kassetten mehr als die Hälfte, bei den Schaltwerken noch immer locker 200 Euro, ohne Einbußen bei der Funktion hinnehmen zu müssen. Die etwas in die Jahre gekommene Shimano XT ist unschlagbar günstig. Das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis bekommt man allerdings mit der neuen Eagle 90 Transmission von Sram.
Die neue Shimano XTR Di2 spart dank klassischer Anbindung über das Schaltauge vor allem beim Schaltwerk Gewicht, dafür drückt der Schalthebel mit seiner Mechanik auf die Waage. Das höhere Gewicht des XX-Schaltwerks zahlt sich in einer steiferen Verbindung zum Rahmen und extrem präzisen Schaltvorgängen aus. Zieht man fairerweise den Kettenblattschutz ab, landet die Sram XX bei 1659 Gramm und unterbietet damit die XTR um knapp 100 Gramm. Gegen das extrem leichte XT-Schaltwerk und die erstaunlich leichte XT-Kurbel zieht die Eagle 90 Transmission klar den Kürzeren. Mit gut 800 Gramm ist die Eagle 90 Kurbel ein echter Brocken. Eine leichte Kurbel eines Drittanbieters könnte hier einigermaßen preiswert gut Gewicht einsparen. Lediglich bei der Kassette sichert sich Sram einen Vorsprung.
Egal, ob Sram AXS oder Shimano E-Tube – die jeweilige App ist die Schnittstelle zur elektronischen Schaltung und eröffnet weitere Setup- und Einstellungsmöglichkeiten, wie das Feintuning der Gangstufen oder die Belegung der Controller-Tasten. Auch System-Updates werden über die App aufgespielt. Während die AXS-App verfügbare Komponenten direkt erkennt, müssen Di2-Bauteile erst in den Kopplungsmodus versetzt werden. Bei Sram können einzelne Komponenten den Bikes zugewiesen werden, an denen sie montiert sind. So hat man seine “Garage” immer gut im Blick.
Wer in der E-Tube-App nach der Einstellung vergisst, die Verbindung zum Schaltwerk wieder manuell zu trennen, muss spätestens beim nächsten Schaltvorgang das Smartphone wieder aus der Hosentasche ziehen. Der Verbindungs-aufbau läuft bei Sram einen Tick zügiger.
Die Shimano-Gruppen, insbesondere die neue XTR Di2, punkten mit ultraschnellen Schaltvorgängen. In Sachen Gewicht kann die XT gegenüber der Eagle 90 etwas Boden gut machen. Das klar strukturierte Setup spricht eindeutig für die Sram-Gruppen. Was die Schaltpräzision anbelangt, sind die Transmission-Schaltwerke das Maß der Dinge – vor allem die mechanische Eagle 90 lässt die etwas in die Jahre gekommene XT weit hinter sich.